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Gericht: Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
Urteil verkündet am 27.01.2009
Aktenzeichen: 2 LB 43/08
Rechtsgebiete: KAG SH
Vorschriften:
KAG SH § 8 |
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Az.: 2 LB 43/08
verkündet am 27.01.2009
In der Verwaltungsrechtssache
Streitgegenstand: Ausbaubeiträge - Berufungsverfahren -
hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Oberverwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter Herr ... und Frau ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - Einzelrichter der 9. Kammer - vom 23. April 2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erhebung einer Vorauszahlung auf einen Beitrag für den Ausbau in einem Teilbereich der "Goethestraße" im Bereich der Beklagten.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks mit der postalischen Anschrift ... (Flurstücke ..., Flurstück ... <Stellplatz>, Miteigentumsanteil zu 1/5 am Flurstück ... <Wegefläche>), das mit einem Reihenhaus bebaut ist und zugleich an der "Goethestraße" liegt.
Die "Goethestraße" im jetzigen Ortsteil Schulau der Beklagten (früher Gemeinde Schulau) existiert seit Ende des 19. Jahrhunderts. Sie verläuft von der Straße "Bei der Doppeleiche" im Norden bis zur Einmündung in den Straßenzug "Elbstraße/Galgenberg" im Süden.
Im Jahre 1963 wurden die Anlieger zu Erschließungsbeiträgen herangezogen. 1987 wurde der Bereich der "Goethestraße" im Bereich "Elbstraße/Galgenberg/Hans-Böckler-Platz" bis zur Einmündung "Immenhof" ausgebaut.
Am 08. Oktober 1990 beschloss der Magistrat der Beklagten auf Vorschlag des Planungsausschusses, die "Goethestraße" zwischen "Bei der Doppeleiche" und "Immenhof" planen zu lassen. 1991 erfolgte der Ausbau der "Goethestraße" vom Einmündungsbereich "Bei der Doppeleiche" bis zur Einmündung "Theodor-Johannsen-Straße".
Der Ausbau der "Goethestraße" von der "Theodor-Johannsen-Straße" bis zur "Mozartstraße" erfolgte im Jahre 1992. Die Fahrbahn und die beidseitigen Gehwege wurden neu hergestellt sowie Parkstreifen angelegt. Im Einmündungsbereich "Goethestraße/Mozartstraße" wurde der Fahrbahnverlauf durch den Einbau von Ausbuchtungen neu gestaltet.
Am 01. Dezember 1994 erließ die Beklagte eine Ausbaubeitragssatzung, die am 01. Januar 1995 in Kraft trat.
Im Jahre 2005 wurde der Bereich der "Goethestraße" von der "Mozartstraße" bis zum "Immenhof" ausgebaut (Erneuerung der Fahrbahn und der beidseitigen Gehwege, Anlegung von Parkstreifen); die Abnahme erfolgte am 24. Mai 2006.
Der Kläger wurde mit drei Bescheiden vom 31. Januar 2006 zu Vorauszahlungen auf den Ausbaubeitrag i.H.v. 655,97 Euro, 39,05 Euro und 376,40 Euro herangezogen. Mit Widerspruchsbescheiden vom 12. Dezember 2006 wurden die Bescheide aufgehoben, soweit die darin festgesetzte und angeforderte Vorauszahlung 193,09 Euro, 11,50 Euro und 110,79 Euro übersteigt. Im Übrigen wurde der Widerspruch jeweils zurückgewiesen.
Gleichzeitig wurde der Kläger mit drei Bescheiden vom 12. Dezember 2006 zu Ausbaubeiträgen i.H.v. 620,03 Euro, 36,91 Euro und 355,78 Euro herangezogen. Die hiergegen eingelegten Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2007 zurück. Der Kläger erhob darauf am 30. Oktober 2007 Klage, die im Berufungsverfahren anhängig ist (2 LB 53/08).
Gegen die Heranziehung zu Vorauszahlungen hat der Kläger am 09. Januar 2007 Klage erhoben.
Er hat vorgetragen, die Anlieger der "Goethestraße" im Bereich zwischen der "Theodor-Johannsen-Straße" und der "Mozartstraße" seien weder für den Ausbau dieses Bereiches des Straßenzuges im Jahre 1992 noch für den Ausbau im Jahre 2005 im Bereich zwischen der "Mozartstraße" und dem "Immenhof" beitragspflichtig. Der dreizehn Jahre spätere Ausbau zwischen "Mozartstraße" und "Immenhof" stehe in keinem Zusammenhang mit dem Ausbau im Jahre 1992, insbesondere bestehe kein einheitliches Bauprogramm.
Die "Goethestraße" sei von der Einmündung "Mozartstraße" nach Norden bzw. nach Süden verlaufend jeweils eine eigene öffentliche Einrichtung. Diese Bereiche des Straßenzuges "Goethestraße" erschienen jeweils als selbständiger Teil des Straßennetzes. Dies folge aus der Fahrbahnführung, dem Ausbauzustand, aber auch aus der unterschiedlichen Verkehrsbedeutung. Der Bereich des Straßenzuges "Goethestraße" zwischen "Mozartstraße" und "Immenhof" sei als unechte Einbahnstraße (Einfahrtsverbot aus Richtung Norden) von anderer Verkehrsbedeutung als die nördlich anschließende Strecke, die auch vom Kfz-Verkehr wechselseitig zwischen "Mozartstraße" und "Theodor-Johannsen-Straße" befahrbar sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Bescheide vom 31. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass die Klage unzulässig sei, da die streitbefangenen Vorauszahlungsbescheide durch die endgültigen Beitragsbescheide abgelöst worden seien.
Im Übrigen handele es sich bei dem Straßenzug "Goethestraße" von "Bei der Doppeleiche" im Norden bis "Elbstraße/Galgenberg/Hans-Böckler-Platz" im Süden um eine einzige öffentliche Einrichtung im Sinne des § 8 KAG. Bei natürlicher Betrachtungsweise ergebe sich, dass eine einzige Straße vorliege. Dass in Teilbereichen eine unterschiedliche Verkehrsbedeutung gegeben sei (unechte Einbahnstraße im Bereich zwischen "Mozartstraße" und "Immenhof" und im Bereich zwischen "Theodor-Johannsen-Straße" und "Bei der Doppeleiche") stehe dem nicht entgegen. Insbesondere für den wichtigen Fahrradverkehr sei die "Goethestraße" im gesamten Straßenzug beidseitig befahrbar.
Der Magistrat habe am 21. Mai 1990 und 08. Oktober 1990 für den gesamten Bereich der "Goethestraße" bis zum "Immenhof" ein einheitliches Bauprogramm beschlossen. Erst mit der Realisierung des Bauprogramms im Jahre 2005 sei für sämtliche Anlieger der "Goethestraße" eine Ausbaubeitragspflicht entstanden.
In dem Zeitraum von 1993 bis zu den weiteren Ausbaumaßnahmen des Jahres 2005 sei das ursprüngliche Bauprogramm nicht aufgegeben worden. Dass die weitere Realisierung des Bauprogramms 13 Jahre gedauert habe, liege an Haushaltsproblemen.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch Einzelrichterurteil vom 23. April 2008 stattgegeben.
Die Klage sei zulässig. Für sie bestehe trotz des Erlasses des endgültigen Beitragsbescheides weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Bestand dieses Beitragsbescheides noch ungewiss sei. Er sei ebenfalls streitbefangen. Werde er aufgehoben, lebe der Vorausleistungsbescheid wieder auf.
Die Klage sei auch begründet, weil das Grundstück des Klägers nicht beitragspflichtig sei. Es liege nicht an der ausgebauten Einrichtung. Der ausgebaute Abschnitt der "Goethestraße" und der Abschnitt, an dem das Grundstück des Klägers anliege, seien zwei unterschiedliche öffentliche Einrichtungen.
Auf den hiergegen von der Beklagten gestellten Antrag hat der Senat mit Beschluss vom 25. August 2008 die Berufung zugelassen.
Die Beklagte trägt weiterhin vor, dass die Klage entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts unzulässig sei.
Im Übrigen sei die "Goethestraße" in ihrer Gesamtschau eine einheitliche öffentliche Einrichtung. Dem Einmündungsbereich der "Mozartstraße" komme keine Trennfunktion im Sinne einer deutlichen Zäsur zu. Eine "Abknickung" oder der bogenförmige Verlauf einer Straße habe noch nicht zur Folge, dass der einheitliche Straßenzug sich rechtlich in mehrere Einrichtungen i.S.d. § 8 Abs. 1 KAG gliedere.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgericht vom 23. April 2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakte 2 LB 53/08 haben dem Gericht bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf den Akteninhalt, sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die gegen den Vorauszahlungsbescheid und den entsprechenden Widerspruchsbescheid gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig. Ihr ist insbesondere das Rechtsschutzbedürfnis nicht abzusprechen. Das hier verfolgte Klagbegehren hat sich durch den Erlass des endgültigen Beitragsbescheides nicht erledigt.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Rechtsansicht ist die von ihr zitierte Rechtsprechung zum Steuer- und zum Gebührenrecht nicht auf das Ausbaubeitragsrecht zu übertragen. Dies würde die strukturellen Unterschiede dieser Rechtsgebiete vernachlässigen.
Bei der Frage, ob ein Vorauszahlungsbescheid durch den Ausbaubeitragsbescheid mit der Folge "abgelöst" wird, dass sämtliche Rechtswirkungen des Vorauszahlungsbescheides von diesem Zeitpunkt an entfallen, ist auf die Regelungsgehalte dieser beiden Bescheide abzustellen. Da diese von einem tatsächlichen Zahlungsvorgang unabhängig sind, kann der Umstand, ob auf den Vorauszahlungsbescheid bereits gezahlt worden ist, für die sich hier stellenden rechtlichen Fragen eine lediglich nachrangige Rolle spielen. Vielmehr sind die beiden regelmäßigen Inhalte der Beitragsbescheide, die Festsetzung der Abgabe (§ 155 Abs. 1 AO) und das Leistungsgebot (§ 254 Abs. 1 AO) bzw. für den Bereich des KAG der Leistungsbescheid (§ 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG) in den Blick zu nehmen (Thiem/Böttcher, Rdnr. 310 zu § 8 KAG).
Die Festsetzung realisiert den abstrakten Anspruch aus dem Abgabenschuldverhältnis und bildet die Grundlage für dessen Verwirklichung, notfalls im Wege der Vollstreckung (Thiem/Böttcher, Rdnr. 191 zu § 11 KAG). Bei Adressatenidentität löst die Festsetzung der endgültigen Abgabe die Festsetzung der Vorauszahlung ab (BFH, Beschl. v. 23.06.1993 - X B 134/91 -, BFHE 172, 9 = BStBl II 1994, 38 = BB 1993, 2290). Dies ergibt sich aus seinem Regelungsgehalt. Wird dieser endgültige Bescheid in einem Widerspruchs- oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben, wirkt dies auf den Zeitpunkt seines Erlasses zurück (Redeker/v. Oertzen, Rdnr. 5 zu § 113 VwGO). Der Bescheid ist als nicht erlassen zu behandeln. Damit entfällt rückwirkend die endgültige Festsetzung und damit die Ablösungswirkung, die Festsetzung des Vorauszahlungsbescheides wirkt fort (Thiem/Böttcher, Rdnr. 310 a zu § 8 KAG; Habermann in Dewenter u.a., KAG, Rdnr. 375 b zu § 8).
Soweit zum Steuerrecht vertreten wird, dass die Aufhebung eines (Jahres-) Steuerbescheides nicht zur Folge habe, dass an seine Stelle wieder die Festsetzungen der Vorauszahlungsbescheide maßgeblich würden (BFH, Urt. v. 29.11.1984 - V R 146/93 -, BFHE 143, 101/103; Beschl. v. 23.06.1993 - X B 134/91 -, a.a.O.), ist dies wegen der grundsätzlichen Unterschiede auf das Beitragsrecht nach § 8 KAG nicht übertragbar. Zwar wird der endgültige Bescheid gem. §§ 11 Satz 1 KAG, 112 Abs. 1 Satz 1 LVwG mit seiner Bekanntgabe wirksam, die Wirkung, die Festsetzung des Vorauszahlungsbescheides abzulösen, tritt jedoch nicht auf Grund des Vorgangs dieser Bekanntgabe ein, sondern auf Grund der Regelung des Bescheides, nämlich der Festsetzung des endgültigen Beitrages, die an die Stelle der Festsetzung der Vorauszahlung tritt. Insoweit mag im Steuerrecht der Auffassung, die Festsetzung des Vorauszahlungsbescheides wirke fort, mit Recht entgegengehalten werden, das die Festsetzung - von Umsatzsteuervoranmeldungen abgesehen - ein lediglich geschätztes Steuersoll für einen zeitlich eingegrenzten Veranlagungszeitraum betreffe (BFH, Beschl. v. v. 23.06.1993 - X B 134/91 -, a.a.O.) und kein Grund bestehe, dass sie weiterhin aufrechterhalten bleibe, wenn die endgültige Steuer für diesen Veranlagungszeitraum entstanden sei (BFH, Beschl. v. 03.06.1995 - GrS 3/93 -, BFHE 178, 11/15). Die Aufhebung des endgültigen Steuerbescheides führt deshalb auch zur Auskehrung der gesamten etwa auf Einkommensteuervorauszahlungen entrichteten Beträge.
Das Beitragsrecht nach § 8 KAG unterscheidet sich davon grundlegend. Beiträge und die Vorauszahlungen darauf werden nicht für einen Veranlagungszeitraum erhoben. Der endgültige Beitrag entsteht auch nicht auf Grund eines bestimmten zeitlichen Datums, sondern gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG mit dem Abschluss der Maßnahme. Der Grund für die Rechtswidrigkeit und die darauf gestützte Aufhebung des Beitragsbescheides kann allein darin bestehen, dass die sachliche Beitragspflicht wegen des Fehlens eines einzelnen Tatbestandsmerkmals noch nicht entstanden ist. Dann ist jedoch keine Rechtfertigung für die Annahme zu sehen, warum die Festsetzungswirkungen eines solchen Bescheides fortwirken sollen.
Das Leistungsgebot bzw. der Leistungsbescheid (§ 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG) ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung zur Leistung (§ 254 Abs. 1 AO). Sein Regelungsgehalt erschöpft sich daher in dem "Befehl", eine bestimmte Leistung zu erbringen, zu der der Schuldner jedoch nicht auf Grund des Leistungsgebots, sondern auf Grund der vorangegangenen Festsetzung verpflichtet ist. Vollstreckt wird nicht das Leistungsgebot, sondern der Verwaltungsakt, der die Leistungsverpflichtung begründet oder feststellt. Die Bedeutung des Leistungsgebots liegt - außer in der Zahlungsaufforderung - ausschließlich darin, dass es Voraussetzung für den Beginn der Vollstreckung ist (§ 269 Abs. 1 Nr. 1 LVwG; vgl. hierzu Kühn/Hofmann, Anm. 1 zu § 254 AO).
Wird auf den Vorauszahlungsbescheid geleistet, so erlischt der durch die Festsetzung konkretisierte Abgabenanspruch (§ 37 Abs. 1 AO) gemäß § 47 AO. Die Festsetzung bleibt gemäß § 112 Abs. 2 LVwG jedoch wirksam und ist der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung. Sie gilt auch weiter, wenn die endgültige abstrakte Beitragsschuld gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG entsteht (vgl. Habermann, a.a.O., Rdnr 374 zu § 8). Das Leistungsgebot erlischt dagegen nicht durch Erfüllung (vgl. hierzu Kühn/Hofmann, Anm. 1 zu § 254 AO), sondern erledigt sich durch das in dem endgültigen Beitragsbescheid enthaltenen Leistungsgebot auf andere Weise und wird dadurch unwirksam (Thiem/Böttcher, Rdnr. 310 c zu § 8 KAG; Habermann, a.a.O., Rdnr 375 zu § 8).
Die von der Beklagten referierte Ansicht führt schließlich auch in den Fällen zu nicht hinnehmbaren Ergebnissen, in denen zwischen dem Erlass des Vorauszahlungsbescheides und dem Entstehen der konkreten (endgültigen) Beitragspflicht ein Eigentumswechsel stattfindet und damit die Beitragspflicht nicht in der Person eintritt, die zu Recht zur Vorauszahlung herangezogen worden war (Thiem/Böttcher, Rdnr. 310 d zu § 8 KAG). In solchen Fällen hat der Vorauszahlungsbescheid schon deshalb weiterhin Wirkungen, weil nur er die Grundlage dafür ist, dass die Gemeinde den von dem Vorauszahlungspflichtigen gezahlten Betrag behalten darf.
Eine Übertragung der aus dem Steuerrecht und aus dem Gebührenrecht übernommenen Überlegungen auf das Beitragsrecht hätte zur Folge, dass die Gemeinde im Falle der Aufhebung des endgültigen Beitragsbescheides wegen Fehlens einer Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht u. U. gezwungen wäre, einen nochmaligen gleichlautenden Vorauszahlungsbescheid zu erlassen, um einen Rechtsgrund zu schaffen, der dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf Auskehrung der ehedem erbrachten Vorauszahlung entgegengehalten werden kann (vgl. Habermann, a.a.O., Rdnr 375 zu § 8 KAG). Dies ist entbehrlich, wenn der Aufhebung des Beitragsbescheides - wie eingangs ausgeführt - die Wirkung beigemessen wird, die auch der Aufhebung eines Änderungsbescheides im Verhältnis zum Ausgangsbescheid zukommt.
Dieses Verständnis wird der besonderen Funktion der Vorauszahlungen nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG gerecht. Die Vorauszahlungen dienen der Vorfinanzierung der begonnenen Maßnahme. Dieser Zweck wird mit dem Erlass des endgültigen Bescheides durch den damit verfolgten Nachfinanzierungszweck verdrängt, er wird jedoch nicht aufgelöst und gewinnt dann wieder Bedeutung, wenn der endgültige Bescheid, aus welchen Gründen auch immer, wieder aufgehoben wird. Die zur Beitragserhebung berechtigte Gemeinde ist allein wegen der Aufhebung des endgültigen Bescheides nicht verpflichtet, die auf den Vorauszahlungsbescheid gezahlten Vorauszahlungen zurückzuzahlen.
Der Zweck der Vorauszahlungen ist es, dass der beitragserhebenden Gemeinde finanzielle Mittel zur Verfügung stehen sollen, die den Einsatz der allgemeinen Deckungsmittel des Gemeindehaushalts erübrigen oder doch nur in eingeschränktem Umfange erforderlich machen sollen. Dieser mit der Vorauszahlung verfolgte Zweck besteht sowohl bis zum Entstehen der sachlichen Beitragspflicht wie auch nach deren Entstehen. So wird deshalb zu Recht auch nicht die Ansicht vertreten, dass die geleisteten Vorauszahlungen mit Entstehen der sachlichen Beitragspflicht zurückzuzahlen seien, da so bis zur Zahlung auf die endgültigen Beitragsbescheide Zwischenfinanzierungslücken entstünden. Vielmehr sind die geleisteten Vorauszahlungsbescheide gemäß § 8 Abs. 5 Satz 5 KAG "bei Erhebung des endgültigen Beitrages gegenüber der Schuldnerin oder dem Schuldner des endgültigen Beitrags zu verrechnen", also erst bei Entstehen des konkreten Beitragsschuldverhältnisses (Thiem/Böttcher, Rdnr. 310 e zu § 8 KAG).
Die hiernach zulässige Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils als rechtswidrig.
Entgegen der Auffassung der Beklagten bilden die Abschnitte der "Goethestraße" nördlich und südlich der Einmündung der "Mozartstraße" bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise getrennte Einrichtungen (vgl. hierzu ausführlich Urt. des Senats zum Verfahren 2 LB 53/08). Fehlt es aber an der Zugehörigkeit der beiden Abschnitte der "Goethestraße" zu einer gemeinsamen Einrichtung, so wird dem klägerischen Grundstück durch die im südlichen Teil der "Goethestraße" durchgeführte Maßnahme kein Vorteil i.S.d. § 8 KAG vermittelt. Den Kläger trifft deshalb keine Pflicht, für den im Jahre 2005 vorgenommenen Ausbau Vorauszahlungen auf einen Ausbaubeitrag zu leisten.
Da die Arbeiten des Jahres 1992 an einer anderen Einrichtung vorgenommen worden waren, wäre die sachliche Beitragspflicht auch bei seinerzeitiger Geltung einer Ausbaubeitragssatzung bereits mit Verwirklichung des damaligen Bauprogramms entstanden. Eine Heranziehung zu einer Vorauszahlung war im Jahre 2006 somit nicht mehr möglich.
Das von der Beklagten angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist somit in Ergebnis und Begründung richtig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht gegeben sind.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 315,38 Euro festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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